Die Bühne lebt.

Die erwartungsschwangere Ruhe, die sich nach dem zweiten Gong ausbreitet wird schnell durchbrochen, wenn die Schauspieler den Raum betreten. Ein Stimmgewirr macht sich breit und man schaut um sich und versteht Ausrufe wie „Ich muss arbeiten!“ und „Ich bin mehr als nur eine Putzfrau!“.

So wirft der Kurs einen mitten ins Geschehen und seine spannenden Charaktere.

In enger Zusammenarbeit zwischen den Teilnehmern des Grundkurses Darstellendes Spiel der Jahrgangstufe 13 und dem Leiter Andreas Krieg wurde dieses Stück mit dem Namen „Geschichten“ innerhalb eines Jahres entwickelt und kam am 23.08. zur Uraufführung. Die Begeisterung, der Stolz und die Spiellust sind jedem des Ensembles anzusehen. Gekonnt werden Rollen nicht nur präsentiert, sondern gelebt, was den Raum aufschloss, in dem gelacht, mitgedacht, gewundert und mitgefühlt werden kann.

Es waren „Geschichten“, welche die Zuschauer an diesen Abenden sahen: ein fiktives Dorf, in dem alles noch „beim Alten“ ist und sich ein festes Netzwerk gebildet hat. So wie in der Kneipe von Willi (Lukas Rollmann), wo sich der Fußballstammtisch trifft, angeführt von Emil (Marc Finn), dem greisen Trainer, der mit seiner Art und dem vibrierenden Schnurrbart unter den Zuschauern für großes Amüsement sorgt. Als soziales, politisches Zentrum des Dorfes kommen hier die wichtigen Themen auf den Tisch: Fußball, Flüchtlinge, Liebe und Jörgen Sauer. Entsprechend witzige und knackige Dialoge gibt es hier, vor allem, als die heile Welt bedroht zu werden scheint durch Neuankömmlinge wie dem „Flüchtling“ (Amin Hesso), der dem Spielerrat und seinen langjährigen Trainern erklärt, Fußball sei nichts Anderes als Physik. „Bei Physik bin ich raus!“ ist da nur eine Antwort aus den Reihen der Mannschaft.

Oder Livia (Fabienne Hansen), die „Neue“ im Dorf, die Männern gegenüber abgeneigt ist. Doch genau das kann ihr Verehrer Jens (Björn Müller) nicht nachvollziehen. Und er wird auch nicht erfahren, was Livia so verrohen ließ, denn er kennt ihre Geschichte nicht. Und genau diese wird dann dem Zuschauer mit Rückblenden, die auf einer eigenen Bühne stattfinden, erzählt: die schlechten Erfahrungen, die Livia mit Männern machte. Da gibt es einen narzisstischen Schönling (Jannik Münz), der nur sich selbst liebt. Oder den „08/15-Niko“ (Pirmin Reiff), der wie paralysiert vor dem Fernseher sitzt und nicht bemerkt, wie Livia gerade die Beziehung beendet.

Gerade diese Rückblicke, eingeleitet durch eine Sprecherin (Noemi König), die das Stück kommentiert, sorgen für unterhaltsame Einschübe und ermöglichen dem Zuschauer Einblicke in die Geschichten der Charaktere zu erhalten.

Und ebenso schrullig, aber auch liebenswert sind viele Figuren „ausm Dorf“: der Anwalt Johannes Kern (Pirmin Reiff) beispielsweise, der unter seinem Arbeitgeber so sehr leidet, dass er mit seiner Mutter (Jilyara Funk) eine Therapeutin (Annika Weiler) aufsucht, die ihre eigenen witzigen Methoden hat, um dem Anwalt zu helfen.

Oder der Landschaftsgärtner Walter Klein (Jannis Fuchs), der immer zu spät zu den Mannschaftssitzungen in Willis Kneipe kommt. Ganz anders als Steff (Colin Schäfer), dessen Tagesabläufe genau strukturiert sind und der glaubt, dass der „Flüchtling“ nur Ärger in den Ort bringen wird.

In einem Dorf von „Geschichtenerzählern“ kann natürlich nichts Besseres passieren, als das Verschwinden des weithin bekannten Bau-Moguls Jörgen Sauer (Robin Buchinger). So sind es auch Missverständnisse und Fantasie der Dorfbewohner, die dazu führen, dass der „Oberhauptkommissar“ (Jannik Münz) ermitteln muss. Immerhin gibt es ja Gerüchte, dieser unter den Dorfbewohnern so verhasste Mann sei entführt, gar „qualvoll ermordet“ worden.

Doch hier nimmt das Stück erst so richtig seinen Lauf: „Jeder hier erzählt mir eine Geschichte.“ stellt der Oberhauptkommissar am Ende der Verhöre verzweifelt fest. Und der verschwundene Bau-Mogul wird von allen als ein cholerischer Mann, ja sogar „Psychopath“ beschrieben, wie von der Studentin Emma Schlich (Melissa Bicaklar), die in einem Rückblick von ihrem aussichtslosen Versuch berichtet, Herrn Sauer für die Legalisierung von Cannabis zu gewinnen, was mit einem lauten „Raus hier!“ endet.

Ebenso rüde geht der Verschwundene in einem weiteren Rückblick mit der „Putzfrau“ Hazel (Jilyara Funk) um, die allerdings auch von diesem fordert, an dem Unternehmen Sauer gleichberechtigt beteiligt zu werden.

Am Ende kommt die traurige wie überraschende Wahrheit um das Verschwinden von Herrn Sauer natürlich ans Licht. Und sie lässt einen Oberhauptkommissar zurück, der im Gespräch mit einer geheimnisvollen Fremden (Melissa Bicaklar) offenbart, dass er in einen Strudel von Geschichten geraten ist und sich sogar seine eigene Geschichte über Herrn Sauer gebildet hat.

Das Publikum erlebte etwa 90 Minuten spritzige Dialoge und beeindruckende Schauspieler, die mit viel Herz und Energie spielten, und viele Freunde und Familie, sowie den Regisseur Herrn Krieg begeisterten. Entsprechend frenetisch war der Schluss-Applaus am Ende. 

(Text: Martin Lonquich und Andreas Krieg)