Schüler*innen gestalten ihre eigenen Raumvisionen

Ist ein gezeichneter Raum schon wirklich oder existiert er nur in unserer Vorstellung? Schüler entwarfen ihre eigenen Raum-Visionen, ausgehend von Impulsen durch Kunstwerke des italienischen Futurismus und Filmarchitekturen der Weimarer Republik. Bekommt jetzt vielleicht jemand Lust, den dargestellten Highway mit einem Rennauto zu befahren, möchte einer als Fußgänger die klimadichten Röhren mit atemberaubenden Ausblicken erkunden oder stellt sich jemand vor, im leise schnurrenden Flugobjekt durch die Häuserschluchten zu schweben? Stift und Papier genügen, um die eigene Raum-Vision in die Wirklichkeit zu versetzen. Oder ist alles doch nur bloßer Schein?

Raumvisionen: Inspiriert durch den italienischen Futurismus und der Filmarchitektur der Weimarer Republik

Die Konfrontation mit dem Thema Raum evoziert unvermittelt die Frage: Sind wir im Raum oder außerhalb? Studien zu Kunstwerken der Landschaftmalerei machte den Schülern schnell klar, dass Raumkonzepte oftmals die Basis dafür sind, dass ein Bild überhaupt zum Bild wird. Die Vorstellung von Raumhat im Verlaufe der Menschheitsgeschichte viele Wandlungen vollzogen. Spielten in der griechischen Antike Ideen einer regelrechten Rauminszenierung, fast schon im Sinne einer „Show“, als Beispiel sei die Akropolis erwähnt, die Hauptrolle, diente die Ausbildung von Raum im römischen Reich häufig  zur bloßen  Legitimierung von Macht. So wechselte die Anschauung im Verlauf der Jahrhunderte  vielfach, bis Michel Foucault 1967 in einem Vortrag das  „Zeitalter des Raums“ proklamieren konnte,  womit ein  Spatial Turnauf den Weg gebracht war. Foucault diagnostizierte: „Wir leben im Zeitalter der Gleichzeitigkeit, des Aneinanderreihens, des Nahen und Fernen, des Nebeneinander und des Zerstreuten.“ 

In unserem Unterricht wurde es nach diesem Informationsblock über den historischen Abriss des Raumbegriffs konkret: Die Schüler erarbeiteten das Raumkonzept eines der berühmtesten Kunstwerke der Geschichte, entstanden im Zeitalter der Renaissance: Das „Abendmahl“ von Leonardo da Vinci. Nicht zuletzt im Vergleich zu den menschenleeren Bildern von Ben Willikens aus dem 20. Jahrhundert, wurde den Schülern schnell klar, dass der Raum selbst die Basis dafür ist, dass Leonardos Meisterwerk „funktioniert“. 

Wie in allen Bereichen der Gesellschaft, war auch im Kunstbereich der Beginn des 20. Jahrhunderts voller Umbrüche, Ergänzungen und Neuerfindungen. Exemplarisch erarbeiteten sich die Schüler die Raumkonzepte der Pittura Metafisica des italienischen Künstlers Giorgio de Chirico, die mit augenscheinlichen Widersprüchen wie falschen Schattenkonstruktionen und inkonsequenten Perspektivdarstellungen eine surreale Wirkung erzielen sowie die revolutionären Raumideen des Antonio Sant` Elia, der mit seinem futuristischen Manifest dynamische Elemente in den Vordergrund stellte wie Verkehr, Simultanität und Geschwindigkeit. Ähnlich zukunftsorientiert waren die Filmarchitekturen in der Weimarer Republik, als herausragendes Beispiel stand hier der Film „Metropolis“ von Fritz Lang im Mittelpunkt.  So lernten die Schüler sehr unterschiedliche Raumkonzepte kennen. 

Nach Vorstudien im Kleinformat  setzten die Schüler schließlich ihre eigenen Raum-Visionen praktisch um. Bildträger waren weiße Bristolkartons im Format DIN A3, gezeichnet wurde mit pitt artist pens. 

Erfreulicherweise  gelang es jedem einzelnen Schüler des  Kurses,  sich persönlich weiterzuentwickeln und zu bilden, unterwegs  zu einer bewussteren und selbstbestimmten Haltung zu dem komplexen, bedeutungsvollen und jeden Menschen  betreffenden Thema Raum.

Autor: Helmut Sesterhenn